SAFe in der Projektrealität

Agile Methoden haben in den letzten Jahren einen festen Platz im Projektmanagement eingenommen. Doch sobald mehrere Teams oder gar ganze Unternehmensbereiche zusammenarbeiten müssen, stoßen klassische agile Frameworks wie Scrum an ihre Grenzen. Hier kommt das Scaled Agile Framework (SAFe) ins Spiel. Doch ist SAFe wirklich die perfekte Lösung für alle großen Projekte? Oder bringt es Herausforderungen mit sich, die Unternehmen oft unterschätzen?

In diesem Artikel werfen wir einen praxisnahen Blick auf SAFe, seine Vorteile und Herausforderungen sowie darauf, wann und wie es sinnvoll eingesetzt werden kann.

Was ist SAFe und wann macht es Sinn?

Das Scaled Agile Framework (SAFe) ist ein umfassendes Rahmenwerk zur Skalierung agiler Methoden über mehrere Teams, Abteilungen oder sogar ganze Unternehmen hinweg. Es bietet eine strukturierte Herangehensweise an agile Zusammenarbeit, indem es Prozesse, Rollen und Prinzipien definiert, die eine koordinierte Entwicklung großer Projekte ermöglichen. SAFe richtet sich daher primär an größere Organisationen, bei denen viele Teams aufeinander abgestimmt arbeiten müssen, um gemeinsame Ziele zu erreichen.

Wann ist SAFe weniger geeignet?

Für kleinere Unternehmen oder Projekte mit nur wenigen Teams kann SAFe überdimensioniert sein. Hier sind oft klassische agile Methoden wie Scrum oder Kanban ausreichend. Ebenso kann SAFe ineffizient sein, wenn die Anforderungen von Beginn an klar definiert sind und keine regelmäßigen Anpassungen notwendig sind. In solchen Fällen können klassische Projektmanagement-Methoden effektiver sein.

Herausforderungen und Kritikpunkte an SAFe

Trotz der vielen Vorteile bringt SAFe auch einige Herausforderungen mit sich. Hier sind einige der häufigsten Kritikpunkte:

1. Erhöhter bürokratischer Aufwand

SAFe ist umfassend – manchmal sogar zu umfassend. Das Framework bietet für jede erdenkliche Situation eine Lösung, was in der Praxis oft zu mehr Bürokratie und administrativem Aufwand führt. Unternehmen sollten darauf achten, SAFe pragmatisch zu implementieren und nicht jede vorgeschlagene Rolle oder jedes Meeting starr zu übernehmen.

2. Hohe Kosten für Schulung und Implementierung

Um SAFe erfolgreich umzusetzen, müssen Mitarbeiter entsprechend geschult werden. Zertifizierungen, Trainings und Change-Management-Maßnahmen können hohe Kosten verursachen. Hinzu kommt, dass SAFe nicht nur ein Framework, sondern auch eine Kulturveränderung erfordert, die Zeit und Ressourcen beansprucht.

3. Spannungen zwischen agilen und klassischen Methoden

Viele Unternehmen arbeiten weiterhin mit klassischen Budget- und Zielvereinbarungszyklen, die nicht immer mit der flexiblen, iterativen Arbeitsweise von SAFe harmonieren. Dies kann zu Konflikten führen, wenn Management-Entscheidungen nicht mit agilen Prinzipien übereinstimmen. Diese Unterschiede sollten frühzeitig adressiert werden, um zu verhindern, dass die Projektziele durch organisatorische Reibungen gefährdet werden.

4. Technische Verschuldung

Fokus auf schnelle, häufige Releases begünstigen technische Schulden.

SAFe ist kein „One-Size-Fits-All“-Ansatz. 

Die Herausforderung besteht in der sorgfältige Einführung und Anpassung an die jeweilige Unternehmensstruktur, um die Vorteile von SAFe voll auszuschöpfen. 

Ein gutes Beispiel hierfür ist die Einführung des „Tech-Product Owners“ in einem Projekt, bei dem neben dem klassischen Product Owner eine zusätzliche technische Entscheidungsinstanz geschaffen wurde. Diese pragmatische Lösung ermöglichte es, Konflikte zu vermeiden und die Entscheidungsprozesse zu beschleunigen.

Erfolgsfaktoren für SAFe-Projekte

Unabhängig davon, ob ein Unternehmen SAFe oder eine andere agile Methode einsetzt, gibt es einige grundlegende Erfolgsfaktoren:

1. Projekte vom Ende her denken

Bevor Methoden oder Frameworks entschieden werden, sollte klar sein, welches Ziel am Ende erreicht werden soll. Diese „Rückwärtsplanung“ hilft, den effizientesten Weg dorthin zu gestalten.

2. Die Methode passend zum Problem wählen

Nicht jede Methode eignet sich für jedes Projekt. Das Cynefin-Framework hilft dabei, die richtige Methode basierend auf der Problemstellung zu wählen. Denn nicht alle Projekte profitieren von Agilität – und niemand würde sein erstes Haus agil bauen.

3. Die Prinzipien hinter den Methoden verstehen

Ein häufiges Problem ist, dass Unternehmen agile Methoden nur oberflächlich anwenden, ohne deren Prinzipien wirklich zu verstehen. Das führt oft zu Frustration und ineffizienten Prozessen. Es gehören auch agile Praktiken wie Retrospektiven und Reviews, die helfen, kontinuierlich Verbesserungspotenziale zu identifizieren, zur Methodik.

4. Agilität nicht als Dogma sehen

SAFe sollte kein Selbstzweck sein. Unternehmen sollten sich trauen, pragmatische Anpassungen vorzunehmen, wenn das Framework nicht zu ihren Strukturen passt. Wichtig ist dabei jedoch, dass diese Anpassungen bewusst und mit Augenmaß erfolgen.

Die Zukunft von SAFe und agilen Methoden

In den letzten 2-3 Jahren wächst die Kritik an agilen Methoden. Trotzdem bleibt Agilität ein wichtiger Bestandteil moderner Projektarbeit. Entscheidend ist, dass Unternehmen nicht einfach „agil um der Agilität willen“ arbeiten, sondern bewusst entscheiden, welche Methoden ihnen wirklich helfen, ihre Ziele effizient zu erreichen.

Fazit

SAFe kann große Organisationen dabei unterstützen, agile Methoden effektiv zu skalieren. Allerdings ist es keine Universallösung für jedes Projekt. Unternehmen sollten sich intensiv mit den Prinzipien hinter SAFe auseinandersetzen, bevor sie es einführen – und vor allem die Methode an ihre spezifischen Bedürfnisse anpassen.

Weiterführende Inhalte: In unserer Podcast-Episode zu diesem Thema diskutieren Christian Dürk und Andreas Tack ausführlich über die praktischen Herausforderungen und Chancen von SAFe.