In der neuen Episode von Projektmanagement im Glas spricht Host Christian Dürk mit seinem Kollegen Marcus Fleckenstein, Projektleiter bei Corivus und aktuell Chief Process Owner in einem großen Transformationsprojekt. Gemeinsam diskutieren die beiden über die Frage, wie PI-Planning, eine ursprünglich agile Methode, erfolgreich in einem klassischen Projektumfeld eingesetzt werden kann.
Agile Projekte mit klassischem Background
Ziel von Marcus‘ Projekt ist es, ein komplexes Altsystem abzulösen, das in der DACH-Region sowie in elf weiteren Ländern in Zentral- und Osteuropa im Einsatz ist. Zu Beginn war der Projektumfang nur grob umrissen und viele Anforderungen noch unklar oder offen. Das Management erwartete jedoch eine belastbare Planung mit festen Meilensteinen, um Kosten, Ressourcen und Risiken steuern zu können. Das Projektteam wiederum arbeitete agil in Sprints. Aus dieser Situation entstand ein Spannungsfeld zwischen klassischen Managementerwartungen und der agilen Arbeitsweise der Teams.
Erste Schritte in die hybride Projektarbeit
Die unterschiedlichen Perspektiven wurden schnell deutlich. Auf Seiten des Managements herrschte ein hoher Druck, weil Verzögerungen sofort hohe Kosten verursachen und wichtige Experten kurz vor dem Ruhestand standen. Zudem war das bestehende System zunehmend schwerer wartbar. Das Team hingegen hatte den Anspruch, eine moderne, performante Software zu entwickeln, die über das hinausgeht, was das alte System konnte. Von Managementseite kam die Erwartung einer möglichst 1:1-Ablösung, während das Team den Anspruch hatte, nicht nur eine Kopie zu erstellen, sondern das System weiterzuentwickeln.
Agile Best Practices im klassischen Umfeld
Um hier einen Weg zu finden, entschied sich das Projektteam, kleinere Länder zuerst live zu nehmen. Damit sollten Erfahrungen gesammelt, Strukturen aufgebaut und Vertrauen beim Management hergestellt werden. Schon zu diesem Zeitpunkt zeigte sich, dass man faktisch hybrid arbeitete: Das Team blieb in seiner agilen Vorgehensweise, gleichzeitig wurde eine eher wasserfallartige Planung eingezogen, die Meilensteine sichtbar machte. Die Grundlage dafür bildeten Annahmen aus bisherigen Rollouts und entsprechende Hochrechnungen. So konnte das Management zumindest auf einer groben Ebene mit einer Roadmap arbeiten. Der Ansatz führte dazu, dass mehrere Länder schnell live gingen und das Projekt konnte seine Lieferfähigkeit unter Beweis stellen. Allerdings musste das Team in Kauf nehmen, dass nicht alle gewünschten Features sofort umgesetzt wurden, was intensive Hypercare-Phasen nach sich zog.
Einführung von PI-Planning
Um die Balance zwischen den Erwartungen des Managements und den Bedürfnissen des Teams wiederherzustellen, wurde PI-Planning eingeführt. Marcus erklärt, dass ein Program Increment Planning den Zweck hat, in einem definierten Zeitraum – hier waren es drei Monate, aufgeteilt in sechs Sprints – einen klaren Scope zu planen, auf den sich das Team committet. Das erste PI-Planning verlief noch holprig. Anforderungen waren unvollständig, die genutzten Tools uneinheitlich, und die Vorbereitung extrem papierlastig. Dennoch war der erste Termin ein wichtiger Weckruf: Zum ersten Mal wurde allen Beteiligten das gesamte Ausmaß der Komplexität sichtbar, und Abhängigkeiten zwischen Teams wurden erkennbar.
Learnings aus den ersten PI-Plannings
Aus diesen Erfahrungen entstanden mehrere Verbesserungen. Prozesse und Tools wurden vereinheitlicht, Excel-Listen abgeschafft und Jira als zentrales Tool etabliert. Einheitliche Benennungen, klare Zuständigkeiten und Feedback-Loops sorgten für Konsistenz. Die Business Owner wurden stärker in die Vorbereitung einbezogen, die Product Owner mussten Grobplanungen mitbringen. Dadurch entstand eine andere Diskussionsbasis, die die Effizienz deutlich steigerte. Während es beim ersten Planning noch keinerlei Commitment gegeben hatte, konnte beim zweiten Planning mithilfe eines Confidence Votes erreicht werden, dass das Team geschlossen hinter der Planung stand.
Heute ist PI-Planning im Projekt fest etabliert. Es gibt eine Roadmap mit Go-Live-Daten für alle Länder, abgestimmt mit den Teams und dem Lenkungskreis. Damit ist zwar keine rein agile Vorgehensweise gewährleistet, aber genau das macht das hybride Vorgehen aus: eine Mischung aus agiler Flexibilität und klassischer Verbindlichkeit. Der Zeitaufwand für ein PI-Planning konnte inzwischen halbiert werden, und die Planungsgrundlagen sind deutlich robuster. Annahmen werden transparent kommuniziert, sodass Anpassungen ohne Schuldzuweisungen erfolgen können.
Die wichtigsten Learnings: Hybrid erfolgreich etablieren
Am Ende der Episode zieht Marcus ein Fazit über die drei wichtigsten Learnings aus dem Projekt:
- Transparenz – Auch wenn sie oft unbequem ist, ist sie unverzichtbar. Nur wenn alle Beteiligten dieselben Informationen über Scope und Planungsannahmen haben, lassen sich gute Entscheidungen treffen.
- Umgang mit Unsicherheit – Planung in unsicheren Umfeldern ist möglich, wenn Annahmen klar offengelegt, regelmäßig überprüft und angepasst werden. Neue Anforderungen können nur dann integriert werden, wenn gleichzeitig andere Themen verschoben oder depriorisiert werden.
- Vertrauen – Es entsteht nicht durch Kontrolle, sondern durch gemeinsame Arbeit, Verantwortung und kontinuierliche Kommunikation. Nur so lässt sich eine stabile Zusammenarbeit zwischen Management und Teams sicherstellen.
Kapitel
| Zeitstempel | Thema |
|---|---|
| 00:00 | Transparenz im Projektmanagement |
| 02:01 | Herausforderungen im hybriden Projektmanagement |
| 05:51 | Planung und Meilensteine im agilen Umfeld |
| 09:00 | Einführung von PI Planning |
| 14:10 | Teamdynamik und Zusammenarbeit im PI Planning |
| 16:49 | Der Weckruf des ersten PI-Planning |
| 17:58 | Prozessoptimierung und Tool-Einsatz |
| 20:25 | Vertrauensaufbau im Team |
| 22:55 | Aktueller Stand des PI-Planning |
| 26:27 | Wichtige Learnings aus dem Projekt |
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